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Die scheinbare Anonymität des Internets ist dabei ein wichtiger Faktor. Die Anwender fühlen sich unbeobachtet und sicher. Dem Soziologen Dr. Michael Schetsche zufolge sind im Netz „alle realweltlichen Identifizierungsmerkmale prinzipiell erst einmal ausgeblendet. Dies betrifft die (…) feststehenden biologischen Charakteristika (wie Alter, Geschlecht, Hautfarbe) ebenso wie soziale Identifikationskriterien (also Name, Postadresse, Sozialversicherungsnummer)“.
Vielen Internetnutzern verleiht diese Anonymität Selbstvertrauen und baut Hemmungen ab. Sie tun Dinge, die sie sich im realen Leben nicht trauen würden. Wenn man sich als Teil einer anonymen Masse fühlt und sich nicht persönlich für sein Handeln verantworten muss, wird unsoziales Verhalten begünstigt.
Das bestätigte indirekt auch das Landgericht Berlin. In zwei Verfahren wurden dort im Mai 2005 mehrere Verkäufer kopierter Software verurteilt. Die Strafen wurden schließlich zur Bewährung ausgesetzt. Laut der Urteilsbegründung war hierbei zu berücksichtigen, „dass die Taten unter Ausnutzung der Anonymität des Internets und somit besonders einfach zu begehen waren“.
Dabei ist die Anonymität im Internet nur eine vermeintliche Sicherheit. Prinzipiell kann jeder Nutzer zurückverfolgt werden. Trotzdem fördert sie offenbar illegale Handlungen. Hinzu kommt, dass sich die meisten Menschen in ihren eigenen vier Wänden grundsätzlich unbeobachtet und sicher fühlen. Auch die Scham einer möglichen Entdeckung, die einen zum Beispiel vom Ladendiebstahl abhalten mag, spielt beim Schwarzkopieren keine Rolle. Selbst in dem unwahrscheinlichen Fall, dass man ertappt werden sollte, drohen keine peinlichen Blicke umstehender Personen. Außerdem ist es psychologisch ein Unterschied, ob man eine strafbare Handlung direkt ausführt oder indirekt durch das Drücken einiger Knöpfe von seinem Schreibtisch aus.
Die Tatsache, dass kein Downloader einem Geschädigten gegenübertreten muss, erleichtert ihm zusätzlich das Kopieren rechtlich geschützter Produkte. Zu diesem Ergebnis kam auch eine Studie englischer Wissenschaftler. Trotz zahlreicher Versuche der Industrie, Schwarzkopieren mit Ladendiebstahl gleichzusetzen, stelle der Verbraucher zwischen beiden Taten keine Verbindung her: „Sie sehen es einfach nicht als Diebstahl an. Für sie ist es einfach unumgänglich, besonders angesichts der Verfügbarkeit neuer Technologien“, sagte Dr. Jo Bryce von der University of Central Lancashire.
Laut der bereits erwähnten Studie der Universität Witten/Herdecke ist ein fehlendes inneres Verständnis der Rechtslage hierfür verantwortlich. Die Urheberrechtsgesetze entsprechen nicht dem allgemeinen Verständnis von Eigentum, wie es über Jahrhunderte hinweg historisch gewachsen ist. Nach dieser herkömmlichen Sichtweise ist ein Diebstahl immer zwangsläufig mit einer Wegnahme verbunden. Die Übertragung dieses Eigentumsverständnisses auf nicht faßbare Dinge wie Musikdateien ist daher problematisch. Dass es auch einen Diebstahl ohne Wegnahme geben kann, erfordert ein grundlegendes Umdenken.
Hinzu kommt, dass kaum ein Nutzer schon einmal selbst Opfer einer Urheberrechtsverletzung war. Auch das erschwert die Nachvollziehbarkeit der Rechtslage. Somit kennen zwar viele die aktuelle Gesetzgebung, können sie aber nicht aus einer inneren Überzeugung heraus nachvollziehen. Für die Rechteinhaber und den Gesetzgeber stellt das ein ernsthaftes Problem dar. Denn nur wenn der Nutzer die Gesetze nachvollzieht und akzeptiert, wird er sich auch an die rechtlichen Regelungen gebunden fühlen. Kann er dem Recht hingegen nicht intuitiv zustimmen, bleibt dem Gesetzgeber nur noch die Androhung konsequenter Strafen.
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