Typisch Deutsch
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Typisch Deutsch!

Was ist typisch deutsch? Gruß aus Amerika

Wenn man längere Zeit nicht in den USA lebt, fallen einem Dinge auf, die man sonst nicht wahrgenommen hat. Wenn ich dann wieder mit Deutschen zu tun habe kommen mir einige Sachen so richtig typisch deutsch vor.

Und ich wünschte wirklich, jemand hätte mir alle diese Dinge gesagt, als ich noch in unvoreingenommen Deutschland meinem Leben einfach nachgegangen bin, ohne zu wissen, dass vieles von dem, wie ich mich verhalte für andere Länder und Sitten — vor allem hier in den USA — komisch, merkwürdig, befremdlich, eben typisch deutsch vorgekommen sind.

Jedes Wort auf die Goldwaage legen ist typisch deutsch

Deutsche nehmen alles so genau.

Zum Beispiel: In den USA habe ich mir angewohnt im Grunde auch schon am Donnerstag in der -Verabschiedung ein schönes Wochenende zu wünschen. Man wünscht sich ein schönes Wochenende, denn … warum eigentlich nicht? Am Donnerstag ist Wochenende ist ja nicht mehr fern.

Jemand aus Deutschland hat mir dann in der E-Mail geantwortet: „Du hast aber ein schönes Leben, jetzt schon Wochenende„.

Schönes Wochenende wünschen

Das ist typisch deutsch.

Nämlich anzudeuten, es gäbe eine Regel, wann und ab welchem Zeitpunkt man jemandem ein Wochenende wünschen kann Dinge tun kann.

Hier in den USA es auch normal, dass man „Good Night“ sagt, wenn man sich verabschiedet. Durchaus auch um 2 oder 3 Uhr nachmittags. Eigentlich ist es egal, denn du kannst sagen, was du willst, solange es positiv ist. Man meint etwas Gutes, jeder versteht es, jeder freut sich  und man entgegnet dann genauso zurück.

Wenn ich mittags in Deutschland jemanden Gute Nacht wünschen würde, ich denke, das würde man nicht verstehen. Ich habe mal jemandem „Viel Glück“ in Deutschland gewünscht, und er antwortete mit „Wieso, ich brauch kein Glück. Wünsch‘ mir Erfolg“.

Dieses ständige kritische Vermessen von Wörtern, und die fehlende Fähigkeit Floskeln zu verstehen, und jedes Wort auf die Goldwaage zu legen ist typisch deutsch.

 

Festnetznummer ist typisch deutsch

Wie ist deine Festnetznummer?„, werde ich schon mal gefragt.

Festnetznummern gibt es in den USA eher nicht mehr. Das ist hier eher ein Überbleibsel von den 90ern.

Übrigens, in den USA kann man an der Vorwahl nicht erkennen, ob es eine mobile oder feste Nummer ist. Hier in San Diego zum Beispiel gibt es die Vorwahl 619 — ob mobil oder fest. In Deutschland ist das ja so, dass Handynummern andere Vorwahlnummern haben, als die Festnetznummern. Hier jedoch nicht. Hier fragt auch keiner, ob das eine Festnetz- oder Mobilnummer ist. Ich kenne auch keinen mehr, der ein Telefon zu Hause hätte. Hier hat jeden Smartphones.

Auch in Unternehmen und Büros haben wir keine Telefone mehr. Dazu gleich mehr in meinem nächsten Punkt.

Die Unterscheidung also zwischen Festnetz und Mobilnummer ist typisch deutsch.

 

WhatsApp ist typisch deutsch

Denn WhatsApp kennt hier in den USA irgendwie keiner.

Ich habe zwar auch WhatsApp, aber nur, um mit Verwandten und Freunden aus Deutschland zu kommunizieren. Und viele Deutsche, die hier leben, haben ebenfalls WhatsApp.

Die Amerikaner nutzen dagegen Facebook Messanger oder Text Messaging. So sagt man hier auch: Texten bzw. Texting. SMS sagt man hier eher nicht dazu, aber versteht man auch.

 

Mit Anrede ansprechen und Siezen

Das Ansprechen mit Anrede kommt mir mittlerweile antiquiert vor. Und auch das Siezen.

Ich komme mir mittlerweile vor, als sei ich ein Relikt aus dem 18. Jahrhundert. Seit ich den USA lebe klingt das sehr gewöhnungsbedürftig.

In Deutschland war mir das nie so aufgefallen. Aber schau mal: Wenn du jeden Tag jahrelang mit Du und Vornamen angesprochen wirst, und auf einmal siezt dich jemand, dann erscheint das nun mal sofort seltsam.

Sollte ich mal wieder in Deutschland leben, müsste ich mich echt daran gewöhnen. Das ist die deutsche Kultur und okay. Aber wollte nur teilen, wie das bei einem Deutschen ankommt, der seit Jahren in den USA lebt.

 

Vornehme Begrüßung und Verabschiedung ist typisch deutsch

In den USA grüßt man in der E-Mail und sonst immer mit „Hi“, „Hey“, „Hello“, „How’s it going“ und so weiter. Formell kann man auch mal „Dear“ sagen, was aber schon Abstand ausdrückt.

Aber für mich klingt mittlerweile „Sehr geehrter Herr“ schon sehr zeremoniell.

Auch die Verabschiedung „Mit freundlichen Grüßen“ ist sehr erhaben, ja fast schon majestätisch. Wenn mich jemand so anspricht, finde ich das sehr steif. Hier in den USA verabschieden wir uns je nach Begebenheit:

  • „Have a great day“
  • „Talk to you soon“
  • „Enjoy your weekend“
  • „Have a great weekend“
  • „Happy Holidays“
  • „Have a great rest of the week“

In förmlichen Briefen schreibt man natürlich immer noch „Sincerely“.

Ein gutes Beispiel ist mein Steuerberater aus Deutschland, mit dem ich geschätzte 20 Jahre schon zu tun habe  und der schreibt immer noch „Sehr geehrter Herr Dr. (…)“.

Ich sage das mal vorsicht so: Sein intellektueller Kompass könnte sich ruhig an die Länge der Beziehung mit seinem Kunden besser einpendeln.

 

Die gute alte Arbeitsethik ist typisch deutsch

Deutsche Arbeitsethik

Und das ist auch gut so. In den meisten Fällen ist in den USA dem Arbeitnehmer sein Arbeitgeber egal. Aber sowas von. Es gibt keinerlei Eigenverantwortung oder.

Zum Beispiel: In Deutschland ist man oft stolz auf seine Firma. Man möchte auch, dass das Unternehmen im guten Ruf steht. Hier nicht so sehr.

Hier einige Beispiel: Ein Hertz-Mitarbeiter hat tatsächlich mal „F you“ zu mir gesagt, als ich fragte, ob ich nicht mein Auto hier abgeben kann, statt 3 Terminal weiter im Stau.

Ich hatte mich damals beschwert und Herz hat mir die komplette Zeit der Autovermietung zurückerstattet.

Ein State Farm Mitarbeiter — übrigens State Farm ist einer einer der größten Versicherungen der Welt mit 82 Milliarden Dollar Jahresumsatz —  hat einfach aufgelegt, als ich gesagt habe, dass ich kein Interesse an einem Kostenvorschlag habe.

Apropos Telefon auflegen.

Sobald man kein Bock auf den Kunden hat, legt man hier schon mal einfach auf.

Ich habe mal Amazon telefoniert und da gab es Unklarheiten mit der Paketzustellung. Nachdem das zu kompliziert wart, hat der Mitarbeiter hat einfach aufgelegt.

Das war so: Der Mitarbeiter wusste nicht, wo die Ware war. Hat dann gesagt, Augenblick und ich wusste sofort, der kommt nicht mehr zurück.

Das beste Beispiel ist T-Mobile. Dort hat stellt man das Netz um und hat mir dann gesagt, mein Telefon würde bald nicht mehr funktionieren. So fragte ich, wer mir nun ein Telefon von fast $1000 erstatten soll, den ich mir doch neulich gekauft habe. Das war dem Mitarbeiter mit zu viel Konflikt verbunden wie ich meine, und so hat er mir einfach zwei kostenlose Telefone versprochen. Das war natürlich quatsch, denn die Telefone habe ich nie bekommen und keiner wollte etwas davon später wissen. So wird man auch einfach abgewimmelt „Klar, kein Problem. Was immer Sie auch wollen. Sie können das alles haben, kein Problem… Tschüüüüüüß.“. Ist auch eine Art von „F You“.

Bei Costco habe ich auf etwas hingewiesen beim Filialleiter. Der Filialleiter hat mich einfach nur abgefüllt mit „wir kümmern uns darum“-Floskeln. Dem war dem aber ziemlich egal und hat sich auch nicht darum gekümmert.

Ich erzähle die Geschichten meinen amerikanischen Freunden, und das wundert die gar nicht.

Die haben noch krassere Geschichten drauf nach dem Motto: Das ist doch gar nichts. Von renommierten Fluggesellschaften, wo der Mitarbeiter die Pässe geklaut hat, und die Gesellschaft nichts von wissen will. Größte Automobilhändler, die ein neues Auto verkauft haben, wo ein Penner drin geschlafen und Exkremente hinterlassen hat.

Geschichten wie aus einem Film kann dir hier jeder erzählen.

Mitarbeiter kündigen ihre Jobs von einer Sekunde zu anderen und gehen einfach weg. Lassen den Geschäftsführer und Unternehmen einfach im Stich. Und das, weil man ein besseres Angebot bekommen hat, nicht weil er unfair behandelt wurde. Sondern, rein wegen des Geldes.

Die gute alte deutsche Arbeitsethik vermisse ich hier.

 

An der Kasse

An der Kasse sich wundern, warum es nicht voran geht ist auch typisch deutsch.

Ist hier gar kein Thema. Alle warten, bis sie drankommen, und wenn es lange dauert, beschwert sich keiner. Ohnehin beschwert sich in den USA irgendwie keiner, wenn man zu lange auf etwas wartet. Sei es im Restaurant, dass man keinen Sitz bekommt oder an der Kasse, bis man drankommt.

Der Deutsche lümmelt im Supermarkt herum, fummelt an seinem Smartphone, denkt drei Mal nach, welches Produkt vom Preis-Leistungsverhältnis besser ist, liest sich die Zutaten eine halbe Stunde durch und denkt sich Dinge wie „Bäh, da ist Koriander drin“. Aber an der Kasse geht es um Leben und Tod, und jeder vor dir ist automatisch dein Erzfeind.

Hier in den USA spricht man dann andere Leute an, die an der Kasse stehen. Ich habe auf diese Weise viele neue Menschen kennengelernt. In den USA ist das ganz normal. Das sehen die Amerikaner hier immer als Gelegenheit zum Spaß haben. Das Warten rückt in den Hintergrund.

Quatschen an der Kasse

 

Einfach mal anrufen

Wenn ihr in einer Werbeagentur arbeitet, Steuerbüro, oder ähnliches, dann werdet ihr das kennen: Ich habe in Deutschland im Dienstleistungssektor gearbeitet und da hat der Kunde mich einfach angerufen, wenn er ein Anliegen hatte.

Mit dem Kunden telefonieren geht hier nur, wenn man vorher einen Termin hat — oder wiederkehrend, wenn das im Vertrag vereinbart ist. Und wenn nicht sieht der auch nicht ein, warum der jetzt seine Zeit mit dir verschwenden sollte ohne dafür bezahlt zu werden.

Wenn jemand doch noch anruft, geht ein oft outgesourcter Call-Center-Dienstleister dran.

Kommunikation per Chat oder Email ist hier dagegen sehr üblich.

Der Kunde muss also hier seine Punkte sammeln und so planen, dass er sie beim nächsten Meeting anspricht. Spontane Anrufe sind hier unüblich oder gelten als unprofessionell.

Umgekehrt ist das so: Als ich hier ganz neu war, habe ich einen Kunden angerufen, weil ich eine Frage hatte. Sie war sauer und hat sich beschwert, warum ich ich sie ohne Ankündigung angerufen hatte.

Wütend am Telefon

Da kannte ich die amerikanische Arbeitskultur noch nicht so sehr.

Außerdem wird hier kaum telefoniert. Alles läuft über Online-Konferenzen, das schon seit mindestens 15 Jahren. Daher haben viele Büros gar keine Telefone.

Auch, als ich hier ganz neu war und einen Arbeitsplatz bekam, fragte ich meinen Vorgesetzten, wo das Telefon sei. Und er in guter Laune: „Was ist das hier, die 90er?“.

 

Pünktlichkeit ist typisch deutsch

Die Erwartung, dass Menschen bei einer Verabredung in der Freizeit pünktlich sein müssen ist typisch deutsch.

Hier in den USA kommt man 10, 15, 30 oder mehr Minuten zu spät. Für uns Deutsche ist das immer ein Zeichen von Unzuverlässigkeit. Man sagt hier auch nicht, wir treffen uns um 7, und fahren dann gemeinsam von dort da und dorthin.

Man trifft sich eben um 7 herum.

Die ersten, die um 7 kommen, bestellen erst mal ein Bier. Denn man weiß, dass die anderen sowieso später kommen. Oder man geht schon mal los, und die anderen Fragen per Text Message: „Wo seit ihr jetzt?“ Und man trifft sich dann ganz woanders.

 

Treffen mit Freunden planen und organisieren ist typisch deutsch

Wenn man sich hier mit Freunden abends trifft, gibt es oft keinen Rahmen. Ich entsinne mich an einen Tag, wo wir Freunde uns zum Bowlen verabredet hatten. Ich habe einen deutschen Freund eingeladen, der also auch hier in San Diego lebt. Und der fragte mich dann, was wir machen und wie viele Leute kommen. Allein die Frage ist ja schon mal typisch deutsch. Weil die rhetorische Antwort ist: „Freunde treffen“. Aber er wollte eben wissen: „Was machen wir denn?“

Und auch den quantitativen Aspekt wollte er wissen: „Wie viele kommen denn?fragte er mich. Darauf gibt es keine Antwort, denn keiner kommt auf die Idee in den USA die Anzahl an Freunden zu beschränken. Es kommt, wer kommt halt.

Erinnert mich an einen Abend in Deutschland vor ewig langer Zeit, als wir von Freunden zum Brettspielabend mal eingeladen wurden. Brettspielabende sind auch typisch deutsch übrigens. Eine italienische Freundin hat dann vor Ort vorgeschlagen: „Lasst uns zum Park gehen, es ist schönes Wetter“. Und die Deutsche Gastgebering meinte: „Aber das ist doch ein Spieleabend!“

Erlaube mir kurz das eben erwähnten Bowling-Event zurück zu schwenken. Wir kamen damals an, und es gab keine Bowling-Bahn mehr, und sowieso hatte keiner reserviert.

Der einzige, der enttäuscht war, war mein deutscher Kumpel: „Uh, keiner hat reserviert?“, hatte er entgegnet. Allen anderen war das jedoch egal. Wir sind dann raus und sind in eine Kneipe gegangen. Keinen hat es gestört.

Wenn man mit Freunden unterwegs ist, ist man hier eher frei. Es gibt keinen Plan, keine Organisation, und auch kein: „wir müssen dies und jenes machen“.

Wir sind Freunde und machen das, was uns Spaß macht: Hauptsache gemeinsam. Doch der Deutsche braucht eben einen Grundrahmen.

Ich gebe es zu: für mich ist es immer noch schwierig. Ich schmunzele ja schon, wenn wir alle im Bowling-Center stehen und keiner hat was organisiert. Ich denke mir dabei auch: „Oh Mann …“, muss mich aber beherrschen, denn ich weiß, das ist mein typisch deutsches Denken.

Und das muss man eben hier ablegen, um Spaß zu haben.

 

Termine machen mit Freunden ist typisch deutsch

Ob Lagerfeuer, grillen, Geburtstag. Oft wird man hier einen Tag vorher oder am gleichen Tag eingeladen zu kommen. Hier in Kalifornien sehr üblich. Und dann kommen die Leute in Scharen.

Und wenn gerade die Schwiegereltern, Bruder oder Schwester zu Besuch sind, bringt man die einfach mit. Oder wenn man andere Pläne hatte, lässt man sie einfach sausen, auch das alles it hier in den USA kein Problem.

Wenn ich mich mit Freunden in Deutschland verabreden wollte, war das folgendermaßen: „Nächste Woche werden wir den Garten machen“, “ die nächste Woche darauf, da sind wir in Holland“, „danach das Wochenende kommt meine Schwester zu Besuch“.

Dann findet man einen Termin in 6 Wochen.

Termine machen mit Freunden, das ist typisch deutsch. In den USA macht man einfach, irgendwie klappt es. Die Amerikaner sind sehr spontan, und das stört die überhaupt nicht.

Wenn du mit einem Amerikaner in 4 Wochen eine Party planst, haben die das schon alle vergessen.

Ich habe mich daran gewöhnt an diese Spontanität und ich find es mittlerweile klasse. Samstagmittag heißt es plötzlich man geht grillen. Dann geht man dahin; das ist überhaupt kein Ding.

Ich habe mal einen deutschen Freund hier in San Diego angerufen, dass wir wieder einen Lagerfeuer draußen machen werden — in den USA sagen wir übrigens Bonfire dazu: Und der entgegnete dann: „Hab‘ schon den Abend verplant, sorry — heute ist Netflix-Abend“.

„Moment mal, habe ich das richtig gehört?“, dachte ich mir. Lagerfeuer mit Freunden versus vor der Kiste hocken, in der entscheidet sich für die Kiste?

Lagerfeuer mit Freunden

 In Amerika gewinnt immer der soziale Aspekt. In Deutschland gewinnt der Planungsaspekt. Auch das ist typisch deutsch.

 

Fällt euch noch was ein, was so richtig typisch deutsch ist? Schreibt es mir in den Kommentaren unten, ich bin echt gespannt!

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