Obdachlosigkeit in Amerika
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Warum sind so viele Menschen obdachlos in USA?

Das Problem der Obdachlosigkeit in Amerika

In den deutschen Medien wird oft ein extremes Bild von den USA gezeichnet, das in solcher Form nicht der Realität entspricht. Es scheint, als würden Millionen Menschen in den USA auf der Straße leben.

Diese Darstellung ist jedoch stark übertrieben, denn es wird suggeriert, dass in den USA der Verlust des Jobs oder eine Krankheit unmittelbar zu Obdachlosigkeit führt. Es klingt oft so, um es etwas sarkastisch auszudrücken, als ob ein einfacher Schnupfen oder ein Niesen am Arbeitsplatz direkt in Obdachlosigkeit mündet.

Es stellt sich die Frage, warum deutsche Medien ein solch falsches Bild von Amerika vermitteln. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass man in Deutschland gerne hört, wie der sogenannte Gigant Amerika im Vergleich zu Deutschland versagt hat. Eine Art Schadenfreude könnte also durchaus dahinterstecken. Eine weitere Theorie ist, dass die deutschen Medien oft nur eine Seite der Geschichte zeigen. Wenn man nichts anderes angeboten bekommt, neigt man dazu, nur das zu glauben, was eben präsentiert wird.
Als jemand, der in den USA lebt, möchte ich Licht in dieses dunkle Thema bringen. Meine Perspektive unterscheidet sich von der eines deutschen Journalisten, der nur kurz in die USA kommt, um schnell etwas abzudrehen und die Produktion fertigzustellen. Ich lebe hier und erlebe die Realitäten des amerikanischen Lebens tagtäglich. Deshalb möchte ich euch ein authentischeres Bild der Obdachlosigkeit in den USA vermitteln, basierend auf meinen persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen.

Fakten über Obdachlosigkeit in Kalifornien

In Kalifornien leben rund 40 Millionen Menschen. Von dieser Zahl sind 160.000 Personen obdachlos, was einem Anteil von 0,4 Prozent entspricht. Zum Vergleich: Die Arbeitslosenquote in Kalifornien liegt bei 7 Prozent. Diese vier Zahlen sind wichtig, um das Thema Obdachlosigkeit besser zu verstehen:

  • 40 Millionen Menschen in Kalifornien
  • Arbeitslosenquote liegt bei 7 Prozent
  • 160.000 Menschen in Kalifornien sind obdachlos
  • Dies bedeutet, dass 0,4% der Arbeitslosen in Kalifornien obdachlos sind, was darauf hinausläuft, dass weniger als eine von 200 arbeitslosen Personen auf der Straße lebt.

Damit ist keine Verbindung zu erkennen, dass Arbeitslose in Kalifornien auch zwangsläufig auf der Straße landen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Armutsquote. In Kalifornien leben 15,4 Prozent der Bevölkerung unter dem Mindestlohn oder sind ganz ohne Einkommen. Hinzu kommt, dass 3,2 Millionen Menschen in Kalifornien keine Krankenversicherung haben. Diese Zahlen lassen somit nicht erkennen, dass Armut, der Mangel an Krankenversicherung und Arbeitslosigkeit direkte Ursachen für Obdachlosigkeit sind.

Wer sind diese Obdachlosen?

Um das zu verstehen, muss man tiefer in die sozialwissenschaftlichen Aspekte des Themas eintauchen. Es ist notwendig, die Lebensumstände, die zu Obdachlosigkeit führen, genauer zu betrachten.
Wie bereits erwähnt, gibt es das verbreitete Klischee, das besagt, dass Obdachlosigkeit in den USA aufgrund von Armut entsteht. Diese Annahme wird oft verwendet, um Kritik am sogenannten „American Way of Life“ zu üben. Natürlich sind Obdachlose arm, aber das bedeutet nicht, dass alle Armen obdachlos sind. Wenn Armut der alleinige Grund für Obdachlosigkeit wäre, dann wäre das Problem in den USA möglicherweise einfacher gelöst, als man glaubt.

Sozialhilfe in Amerika

Amerika ist das reichste Land der Welt und letztlich muss keiner im Land hungern. Die Idee, dass jemand seinen Job verliert und sofort verhungert, ist überholt und entspricht nicht der heutigen Realität, wie vielleicht damals in den 60ern.
In Amerika, und besonders in Kalifornien, gibt es ein großes gesellschaftliches Interesse daran, Obdachlosen zu helfen. Dies spiegelt sich in verschiedenen sozialen Hilfsprogrammen wider. Beispielsweise gibt es in den USA Sozialhilfe und Krankenversicherung für diejenigen, die sich diese nicht leisten können. In Kalifornien nennt sich das Programm „MediCal“, das dieselben Leistungen wie eine private Versicherung bietet.
Es gibt in den USA das „Cash Assistance“-Programm, das bedürftigen Personen eine EBT-Karte zur Verfügung stellt. Diese Karte ermöglicht den Zugang zu regelmäßigen Geldleistungen vom Staat. Dieses Programm steht nicht nur Amerikanern zur Verfügung, sondern auch Asylbewerbern und Flüchtlingen. Darüber hinaus gibt es Programme wie Child Services, Adult Services und Foster Parent Services, die sich um Waisen, Menschen mit Behinderungen und Krankheiten kümmern.
Ein weiteres Beispiel ist das „CalWORKs“-Programm, das Menschen Unterstützung bietet, die lange nicht gearbeitet haben und nicht wissen, wie sie sich bewerben sollen. Dieses Programm arbeitet mit Unternehmen zusammen, die sogar bereit sind, Obdachlose einzustellen.
Zusätzlich gibt es auch Dienste bekannt als „Clothing Services“, die kostenlose Kleidung für Obdachlose bereitstellen.
Diese vielfältigen Hilfsangebote zeigen, dass die USA ein System haben, das darauf ausgerichtet ist, Menschen in Not zu unterstützen, und dass die Gründe für Obdachlosigkeit komplexer sind, als oft angenommen wird.

Die Herausforderungen im Umgang mit Obdachlosigkeit

Um das verbreitete Klischee, dass Obdachlosigkeit durch Arbeitslosigkeit entsteht noch mal aufzugreifen: In Kalifornien beispielsweise gab es während der Krise ab März 2020 einen Arbeitskräftemangel in verschiedenen Bereichen, von der IT-Branche bis hin zu Serviceberufen. Trotz der Verfügbarkeit von Jobs waren nicht alle Obdachlosen darauf aus, diese zu ergreifen. Das Vorhandensein von Arbeitsmöglichkeiten und sozialen Programmen allein hat also das Problem der Obdachlosigkeit nicht gelöst.
Es könnte der Eindruck entstehen, dass Obdachlose einfach nicht arbeiten wollen oder faul sind – diese sind oft verwendete Argumente von politischen Bewegungen, die mehr kapitalgetrieben sind und den Hauptwert auf Wirtschaftlichkeit legen als dem Humanismus.
Die tatsächliche Ursache der Obdachlosigkeit liegt jedoch in den Auswirkungen unserer Gesellschaftsform. Diese Wahrheit wird oft von den Medien nicht thematisiert. Der Grund dafür ist, dass die Auseinandersetzung mit diesem Thema ein tieferes Nachdenken und Verständnis erfordert, was über die schnelle, oberflächliche Berichterstattung hinausgeht, die Medien häufig bevorzugen. Es geht hierbei nicht nur um die USA, sondern ist ein weltweites Muster.
In der Diskussion um Obdachlosigkeit ist es wichtig, die verschiedenen Hintergründe und Herausforderungen zu verstehen, die Obdachlose daran hindern, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Eine besonders auffällige Gruppe unter den Obdachlosen sind diejenigen mit psychischen Erkrankungen, oft verbunden mit Drogen- und Alkoholsucht. Dieses Problem lässt sich nicht einfach durch Geld- oder Jobangebote lösen. Sucht und psychische Krankheiten erschweren das Leben in der Gesellschaft enorm und erfordern spezielle Ansätze.
In den USA herrscht aber auch oft der Glaube, dass Geld viele Probleme lösen kann. Das liegt insgesamt an der amerikanischen Philosophie, dass Geld das Leitmotiv einer Gesellschaft ist. Bei psychischen Erkrankungen und Suchtproblemen stoßen solche Lösungen jedoch an ihre Grenzen. Die Annahme, dass jemand mit finanzieller Unterstützung, mit einem Job oder einer Wohnung automatisch erfolgreich sein muss, ignoriert die tieferen Probleme, die Obdachlose oft haben. Es ist also ein Trugschluss zu glauben, dass man mit Geld allein diese komplexen Herausforderungen lösen kann.
Die Behandlung von psychischen Erkrankungen ist ein langwieriger und anspruchsvoller Prozess. Es ist beispielsweise nicht mit ein oder zwei Therapiesitzungen getan. In vielen Fällen ist eine jahrelange, manchmal lebenslange Unterstützung und Behandlung erforderlich. Obwohl es in den USA Möglichkeiten für staatlich finanzierte psychische Behandlungen gibt, nutzen viele Obdachlose mit psychischen Erkrankungen diese Angebote nicht, vor allem auch oft deswegen, weil sie keine aktive Unterstützung durch Familie oder Freunde haben.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Selbstbestimmung in Amerika. Viele Menschen mit Suchtproblemen oder psychischen Erkrankungen erkennen ihre Krankheit nicht an und sind nicht bereit, sich behandeln zu lassen. In Städten wie Los Angeles wurde gerichtlich festgestellt, dass Obdachlose das Recht haben, ihre Zelte im öffentlichen Raum aufzustellen. Ebenfalls kann keiner diese Menschen zur Behandlung zwingen. Das geht auch auf den Hauptgedanken der Amerikaner zurück, dass jeder Bürger, ob Obdachlos, psychisch erkrankt oder nicht, die Freiheit hat zu tun, was er oder sie will.
Die Lösung dieser Probleme erfordert also mehr als nur finanzielle Hilfe; sie erfordert ein umfassendes Verständnis und langfristige Unterstützungsstrategien.

Klischees und Realitäten der Obdachlosigkeit in den USA

Oft hört man auch das Klischee, in Amerika führe, eine Krankheit oder hohe Schulden direkt zur Obdachlosigkeit. Auch hier ist die Realität anders. Ich kenne Menschen, die kein Vermögen haben, lange Zeit arbeitslos waren und sind, oder aufgrund von Krankheiten langfristig oder gar nicht mehr arbeiten können. Sie sind jedoch nicht obdachlos geworden. Was ich bei diesen Menschen beobachte ist, dass Sie durchaus wissen, wie man im sozialen System der USA überleben kann.
Ein Freund von mir beispielsweise ist stark verschuldet und ohne Job, aber er lebt in einer Wohngemeinschaft und muss auf gewisse Annehmlichkeiten verzichten.

Warum sind Obdachlose oft in Großstädten wie Los Angeles?

Man könnte sich fragen, warum in Staaten wie Kalifornien so viele Obdachlose zu finden sind, insbesondere in Stadtteilen wie Skid Row in Los Angeles.
Seit den 70er Jahren ist Obdachlosigkeit in Los Angeles ein bekanntes Problem. Es ist ein Zentrum für Obdachlose und ein beliebtes Ziel für Medienberichte. Ein Grund, warum sich Obdachlose oft in Stadtzentren aufhalten, ist der Wunsch, unter anderen Menschen zu sein und nicht isoliert zu leben. Obdachlose suchen Schutz in der Öffentlichkeit, um beispielsweise nicht Opfer von Gewalt zu werden.
Ein weiterer Grund für die hohe Konzentration von Obdachlosen in großen Städten ist die Verfügbarkeit von Ressourcen. In einer Großstadt wie Los Angeles gibt es mehr Möglichkeiten, an Dinge zu gelangen, sowohl gute als auch schlechte. Dies ist besonders attraktiv für Obdachlose mit Suchtproblemen. Häufig wird das Geld aus der Sozialhilfe nicht für Miete, sondern für Suchtmittel ausgegeben, was die Präsenz von Obdachlosen in Großstädten unter anderem erklärt. In kleineren Gemeinden sind solche Angebote dagegen nicht so leicht verfügbar.

Vielschichtigkeit der Obdachlosigkeit in Kalifornien

Ein weiterer Aspekt der Obdachlosigkeit in Kalifornien ist auch das angenehme Wetter. In Gegenden mit mildem Klima, wie Los Angeles, finden Obdachlose Bedingungen vor, die das Leben im Freien begünstigen. Viele Obdachlose in Los Angeles kommen aus anderen Städten, angezogen von den günstigeren Wetterbedingungen. Dies führt zu einer höheren Obdachlosenquote in LA im Vergleich zu kälteren Regionen. Diese Vermutung zeigt sich ebenfalls durch Statisiken: Die Zahl der Obdachlosen in kälteren Städten wie Chicago oder Milwaukee sinken fortwährend, während sie in LA stetig steigen.
Los Angeles ist mittlerweile zu einer Art Mekka für Obdachlose in den USA geworden. Die Stadt wird oft in den Medien dargestellt, was Obdachlose dann wiederum aus anderen Teilen des Landes anzieht. Sie sehen die Zeltstädte und Angebote in LA aufgrund der Medienberichte und entscheiden sich auch oft deswegen, dorthin zu ziehen. Dies führt zur Ghettoisierung, bei der sich einmal etablierte Obdachlosen-Communities bzw. solche Zeltstädte weiter vergrößern.
Gesetzlich gibt es in den USA nur begrenzte Möglichkeiten, um gegen diese Form der Ansiedlung vorzugehen, da die öffentliche Nutzung und die Freiheitsrechte der Bürger hoch geschätzt werden.
Darüber hinaus spiegelt die Obdachlosigkeit auch gesellschaftliche Probleme wider, die nicht nur auf LA oder Kalifornien beschränkt sind, sondern ein landesweites Phänomen darstellen.

Psychische Erkrankungen der Obdachlosen

Obdachlosigkeit ist nicht nur auf psychische Erkrankungen zurückzuführen, aber diese spielen eine wichtige Rolle. Es gibt viele Theorien und Untersuchungen zu den Ursachen psychischer Erkrankungen, aber es gibt oft mehr Fragen als Antworten.
In einer Gesellschaft wie Amerika, die auf Gewinn und Erfolg ausgerichtet ist, gibt es immer Gewinner und Verlierer. Psychische Erkrankungen können daher auch durchaus eine Folge eines solchen Systems angesehen werden.
In Amerika ist der Leistungsdruck ein prägendes Element der Gesellschaft. Nicht jeder ist diesem Druck gewachsen. Manche Menschen, insbesondere Kinder, die in Familien hineingeboren werden, die bereits an den gesellschaftlichen Anforderungen gescheitert sind, erleben keine normale Kindheit. Sie wachsen in ungewöhnlichen und oft schwierigen Umgebungen auf, was dazu führt, dass sie als Erwachsene gesellschaftlich benachteiligt sind. Häufig resultiert dies ebenfalls in Obdachlosigkeit und anderen sozialen Problemen, in die sie unverschuldet hineingewachsen sind.

Respekt für die Helfer der Gesellschaft

Zum Abschluss möchte ich meinen Respekt für all jene ausdrücken, die sich um benachteiligte Menschen kümmern. Die Hingabe ist enorm, die dafür nötig ist.
Viele unter uns, die uns vielleicht als „Gewinner“ der Gesellschaft betrachten, haben oft unbeabsichtigt Menschen zurückgelassen, die nicht in unser Weltbild passen. Soziale Einrichtungen und Wohlfahrtsverbände kümmern sich um diese Menschen, so gut es geht.
Ob wir letztlich wirklich als „Gewinner“ angesehen werden oder ob zukünftige Generationen uns als Verlierer betrachten werden, bleibt abzuwarten. Meine Vermutung ist, dass wir in den Geschichtsbüchern der Zukunft kein gutes Bild abgeben werden.

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