Harte Arbeitswelt in USA
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Die harte Arbeitswelt in Amerika

Das Haufisch-Becken USA

Ich habe in beiden Ländern, den USA und Deutschland, langjährige Arbeitserfahrungen gesammelt, und dabei mit einer Vielzahl von Konzernen zusammengearbeitet. Meine berufliche Laufbahn umfasst Positionen als Projektmanager und Dienstleister für Firmen wie Ford, Bayer, PwC, Procter & Gamble, Edeka, Tschibo, Allianz, Deutsche Telekom, Henkel, HypoVereinsbank, Kärcher, Techniker Krankenkasse, WMF, Vodafone und viele mehr. Insgesamt waren es gefühlt über 200 Unternehmen, darunter auch Brother, Tabasco und Bosch, sowie verschiedene Agenturen. Seit etwa 1996 bin ich als selbstständiger Entwickler tätig und habe damals mein erstes Gewerbe angemeldet. Projekte habe ich sowohl in Deutschland als auch in den USA durchgeführt, darunter für Thomas Cook, Hasbro, Yellow Pages und Carma.

Heute möchte ich einen Einblick geben, wie hart das Geschäft in den USA im Vergleich zu Deutschland ist. Denn die Geschäftskulturen in den USA und Deutschland unterscheiden sich stark voneinander, und durch meine Arbeit in beiden Ländern konnte ich diese Unterschiede aus erster Hand erfahren. Meine Erfahrungen in San Diego und meine deutsche Herkunft haben mir dabei geholfen, beide Kulturen besser zu verstehen und zu vergleichen.

Quantensprung in meinem Geschäftswissen in den USA

In meiner Zeit in den USA hat sich mein Geschäftswissen nicht nur verdoppelt oder verdreifacht, sondern ich würde sogar sagen, es hat sich mindestens verfünffacht. Besonders auffällig ist die fortschrittlichere Art der Kommunikation hier. Die Effizienz, mit der in den USA kommuniziert wird, und die Art, wie Technologien genutzt werden, unterscheiden sich grundlegend von dem, was ich aus Deutschland kenne.

Rasante technologische Entwicklungen

In meinem Fachbereich, der IT und dem Online-Marketing, erlebe ich fast alle sechs Monate, wie sich die Technologielandschaft in den USA komplett wandelt. Was heute als neu gilt, kann morgen schon veraltet sein. Die Bedürfnisse der Amerikaner ändern sich rasant, und sobald sie sich an eine Technologie gewöhnt haben und mehr wollen, kommt ein anderer Wettbewerber und bietet genau das an. So gehört sehr schnell eine Technologie zu alten Kamellen, was gestern noch fortschrittlich war,.

Beispiel an der Evolution des Webdesigns

Nehmen wir das Webdesign als Beispiel: Vor 15 Jahren war Photoshop das Werkzeug der Wahl, aber das gilt heute in Amerika als veraltet. Kein Designer verwendet mehr Photoshop. Stattdessen kamen neue Technologien wie die InVision App von Adobe hinzu. Doch nur zwei Jahre später galt Adobe bereits als altmodisch, und neue Tools wie Figma und Sketch wurden populär. Auch diese gelten mittlerweile als überholt. Heute geht es um die Integration von Code und Design einem einem, wie zum Beispiel durch den Einsatz von Tools wie Elementor. Das mag jetzt alles für diejenigen vielleicht zu technisch erscheinen, die nicht aus der IT-Branche kommen. Was ich damit sagen möchte, ist: Die Geschwindigkeit ist enorm, mit der sich Dinge hier zum Besseren verändern,

Technologieadaption zwischen den USA und Deutschland

In meinen Gesprächen mit deutschen Geschäftsfreunden fällt mir immer wieder auf, wie unterschiedlich die Geschwindigkeit der Technologieadaption in den USA und Deutschland ist. Während wir hier in den USA ständig auf dem neuesten Stand der Technik sind und rasch von einer Innovation zur nächsten wechseln, scheinen meine deutschen Kontakte oft hinterherzuhinken. Es dauert manchmal fünf bis sechs Jahre, bis sie von den Technologien erfahren, die wir in den USA bereits längst wieder hinter uns gelassen haben. Diese Diskrepanz zeigt, wie dynamisch und schnelllebig die amerikanische Geschäftswelt im Vergleich zu Deutschland ist.

Effizienz in der Geschäftskommunikation: USA vs. Deutschland
Eine der auffälligsten Unterschiede in der Geschäftswelt zwischen den USA und Deutschland ist die Antwortgeschwindigkeit auf E-Mails. In Deutschland nehmen sich Dienstleister manchmal zwei Tage oder länger Zeit für eine Antwort. In den USA wäre das undenkbar. Hier wird eine Antwort innerhalb von zwei Stunden erwartet. Als ich kürzlich einen Anwalt in Deutschland suchte und zehn Kandidaten anschrieb, antwortete nur einer sofort. Die anderen reagierten erst nach zwei bis drei Tagen – viel zu langsam für amerikanische Verhältnisse — da würde ein Amerikaner schon nicht mehr darauf reagieren.
Meine Arbeitskollegen in den USA antworten ihren Kunden innerhalb von Minuten. Selbst wenn sie gerade keine Zeit haben, senden sie eine kurze Nachricht, um zu bestätigen, dass sie sich um das Anliegen kümmern werden.

Strukturierte Prozesse und effektive Kommunikation

In den USA werden zahlreiche klar definierte Business-Begriffe wie Scope of Work, Outlines, Deliverables, MVP, Post-MVP, Pre-MVP, Sprints, Phases, Milestones, Out of Scope Adjustments, Revisiting Items, Parking Items, Prioritized Items, Pouring to Workflow, Memos, Topic Funnels, Backlogs, Tickets und viele mehr verwendet. Für jedes Problem und jede Herausforderung gibt es ein entsprechendes Management-Konzept. Das erspart viel Zeit an Kommunikation, wenn Stichwörter verwendet werden, statt die Vorgehensweise versuchen langatmig zu erklären.
Hier ein Beispiel: Wenn ein den USA im Geschäftsumfeld eine Website schon live geschaltet werden soll aber alles noch nicht 100% zu Ende programmiert ist, sagt man einfach „We want to launch MVP“ und als Antwort sagt man dann „Yes“ oder „No“. Da der Begriff MVP in Deutschland nicht geläufig ist, würde der Projektmanager erst mal Zeit darin investieren dem Kunden das Vorhaben zu erklären, beispielsweise so:

„Unser Ziel ist es, Ihre Website schnell online zu bringen, um direktes Feedback von den Nutzern zu erhalten. Anstatt zu warten, bis jede Funktion perfekt ist, starten wir mit einer grundlegenden Version der Website, die alle wichtigen Kernfunktionen umfasst. Dieser Ansatz ermöglicht es uns, bereits jetzt Einblicke in die Bedürfnisse und Wünsche Ihrer Zielgruppe zu gewinnen. Sobald die Website also live ist, können wir basierend auf den Rückmeldungen der Nutzer kontinuierlich Verbesserungen und Erweiterungen vornehmen. Dieser schrittweise Prozess hilft uns, flexibel auf Nutzerwünsche zu bereits frühzeitig reagieren und sicherzustellen, dass die Website auf Ihre Zielgruppe zugeschnitten ist … bla bla bla“

Man sieht also, wie aufwändig eine Kommunikation in Deutschland sein kann, meiner Erfahrung gemeinsame Business-Vokabeln und Wissen über Projektmanagement nicht flächendeckend vorhanden ist.
Gleichzeitig bedeutet das auch, dass von amerikanischen Mitarbeitern sehr viel Fachwissen erwartet wird und sich im Grunde keiner in der amerikanischen Arbeitswelt die Zeit nimmt Dinge zu erklären.

Ein Beispiel für einen typischen Business-Alltagsbegriffen in den USA übrigens ist der Satz – mein Favorit: „We’ll cross that bridge when we get there“ („Diese Brücke überqueren wir erst, wenn wir dort angekommen sind“). Dieser Ausdruck wird verwendet, um auf ein bevorstehendes Problem aufmerksam zu machen, aber auch, um zu signalisieren, dass man sich erst damit beschäftigen wird, wenn es wirklich aktuell wird.

Ein persönliches Beispiel von mir: Als ich hier auf die neuen Datenschutzrichtlinien in Kalifornien aufmerksam machte, war die Reaktion genau diese. Niemand interessierte sich dafür, solange es keinen direkten Profit brachte oder eine unmittelbare Opportunität darstellte. Man kümmert sich darum, wenn es soweit ist – und dann auch nur vielleicht. Update 2024: Mittlerweile ist es schon einige Jahr her, seitdem Kalifornien zahlreiche Datenschutzrichtlinien erlassen hat und bis heute ist das Thema für die amerikanischen Unternehmen eher uninteressant.
In den USA gibt es eine sehr direkte und effektive Art der Kommunikation im Geschäftsleben.

Ein Beispiel: Ein Kunde wollte eine Anpassung an einem Projekt und fragte nach den Kosten. Der Projektmanager, der eine Flut von Mehrarbeit auf sich zukommen sah, antwortete geschickt: „Thematically, it’s going to be a re-do from the ground up“, was so viel bedeutet wie „Thematisch gesehen wird das ein Neuaufsetzen von Grund auf“. Diese Aussage versetzte den Kunden in Schrecken, da er verstand, das alles nun komplett neu berechnet werden würde. Das Ergebnis: Der Kunde entschied, alles beim Alten zu lassen, und der Projektmanager erreichte sein Ziel, keine Anpassungen vornehmen zu müssen. In Deutschland hätte dies wahrscheinlich eine lange Diskussion nach sich gezogen. In den USA wurde die Angelegenheit mit einem einzigen Satz geklärt.
Ich habe eine ähnliche Situation erlebt, als ich eine Aufgabe zugewiesen bekam, die überhaupt nicht in meinen Bereich fiel. In Deutschland wäre ich damit zu meinem Vorgesetzten gegangen und hätte auf eine Lösung gehofft. In den USA jedoch erwartet der Vorgesetzte, dass man sich selbstständig in neue Aufgaben einarbeitet. Als ich meinem Chef sagte, dass ich keine Ahnung von der zugewiesenen Aufgabe hatte, bekam ich als Antwort: „I guess you have to fly by the seat of your pants.“ Das bedeutete im Klartext: „Ich schätze, du musst eben lernen, das Flugzeug ohne Navigation und Geräte zu fliegen.“
Denn, in den USA ist es nicht üblich, zu seinem Chef zu gehen und zu sagen, dass man keine Ahnung hat, wie man eine Aufgabe bewältigen soll. Das würde schnell dazu führen, dass man als negativ oder unmotiviert eingestuft wird. Stattdessen findet der Amerikaner einen Weg, die Dinge zu erledigen, auch wenn das bedeutet, zu improvisieren oder „irgendwie“ eine Lösung zu finden. Man ist hier gezwungen.

In den USA wird somit eine hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit von Mitarbeitern erwartet, selbst wenn eine Aufgabe außerhalb ihres Fachgebiets liegt. Ein weiteres Beispiel: Ein Kollege, der eigentlich nicht im technischen Bereich tätig ist, wurde von einem Vorgesetzten um technische Unterstützung gebeten. Statt zu sagen, dass dies nicht sein Kompetenzbereich sei – wie man es in Deutschland tun würde –, antwortete er mit „Ich schaue mir das an“ und arbeitete sich so gut es ging in das Thema ein.
Sein Ergebnis war jedoch nicht besonders gut, denn schließlich war war das nicht seine Kompetenz. Trotzdem erhielt er für seinen Einsatz Anerkennung.

Kein Platz für Spontanität

Kundenanrufe, um „schnell etwas zu besprechen“, wie ich es aus meiner Zeit in einer deutschen Agentur kenne, sind in den USA nicht üblich. Hier verliert man allerhöchstens seinen Job, wenn man so vorgeht. Alles, was geklärt werden muss, wird bereits im Vorfeld im Outline geplant. Dringende Anfragen werden als Tickets über ein entsprechendes System bearbeitet. Das spontane Anrufen ist hier ein Zeichen mangelnder Professionalität.
Telefonate gehören in Amerika ohnehin der Vergangenheit an. In den USA und in allen Agenturen, in denen ich gearbeitet habe, läuft alles über Termine und Konferenztools. Das traditionelle Telefon ist somit in Amerika ein Relikt der 90er Jahre. In der amerikanischen Geschäftswelt sind Termine und digitale Kommunikationsmittel der Standard und das schon weit vor der Pandemie.

Überlebenskonzept in der Arbeitswelt in den USA

Das amerikanische Arbeitsumfeld ist geprägt von Effizienz und einem ständigen Anpassungsdruck. Zusammen mit der hohen Jobunsicherheit ist es ein Teil des beruflichen Alltags, den jeder kennt und akzeptiert.
Meetings in den USA sind ein Paradebeispiel für Effizienz. Sie dauern oft nur 10 bis 20 Minuten und sind straff organisiert: geplant, besprochen, geparkt, gecancelt oder pausiert, definiert, priorisiert, terminiert. Zack zack zack – und dann ist es auch schon vorbei nach dem Motto: „Danke, tschüss“. Im Gegensatz dazu erinnere ich mich an Deutschland, wo wir in Meetings viel diskutierten, Fragen stellten und Dinge neu aufrollten.
Diese Grundeinstellung spiegelt sich auch im Umgang mit meinen Dienstleistern wider. Wenn ich sie um etwas bitte, haben sie es am nächsten Tag fertiggestellt. Mittlerweile habe ich angefangen, ihnen mehr Zeit zu geben, weil ich erkannt habe, wie sehr sie sich selbst unter Druck stellen.
Als ich in den USA anfing, war der Unterschied zu Deutschland ein echter Kulturschock. Zuerst dachte ich, selbst der Hausmeister ist besser vorbereitet als ich. Aber dann erkannte ich, dass alle einem bestimmten Rhythmus und Überlebenskonzept folgen. Wenn man dieses Konzept einmal verstanden hat, kann man sich anpassen und überleben – vorausgesetzt, man ist bereit, die notwendige Kraft aufzubringen.
Um in den USA zu „überleben“, musste ich täglich meine Hausaufgaben machen. Ich erstellte ein Google-Dokument, in dem ich alle Business-Begriffe notierte und auswendig lernte. Die Angst, den Job zu verlieren ist in den USA allgegenwärtig. Ständig hört man von Leuten um einen herum, die ihren Job verlieren.

Jobverlust in Amerika

Der Arbeitsdruck wird aber nicht offen angesprochen. Zudem wird hier niemand wird hier angeschrien oder bekommt Vorwürfe gemacht – im Gegenteil, alle sind immer sehr freundlich und positiv, sogar die Kunden. Aber jeder Mitarbeiter weiß, dass Druck besteht. Dieser unausgesprochene Druck entsteht durch den Umstand, dass diejenigen, die sich Zeit lassen, ihren Job verlieren. Es ist eine Art Darwinismus am Arbeitsplatz. Wenn man sieht, wie die Kollegen um einen herum ihre Jobs verlieren, versteht man schnell, dass man sich beeilen muss. Diese Erkenntnis ist zur Grundeinstellung geworden.
In den USA gibt es zwei Arten des Jobverlustes: „Laid off“ bedeutet, man wurde aus betrieblichen Gründen entlassen, oft sogar innerhalb weniger Minuten. „Fired“ hingegen heißt, man hat etwas falsch gemacht. Es ist hier völlig normal, seinen Job zu verlieren.
Ich kenne keinen Amerikaner über 30, der nicht mindestens dreimal seinen Job verloren hat.
Die meisten arbeiten durchschnittlich zwei Jahre für ein Unternehmen, bevor sie entlassen oder gefeuert werden. In Bewerbungsgesprächen wird darüber ganz offen gesprochen, was in Deutschland unüblich ist. Hier ist es kein Ausschlusskriterium, sondern normaler Small Talk, wenn jemand sagt: „Ich wurde entlassen.“

Ständiges Lernen und Anpassen

Diese Erfahrungen spiegeln die Arbeitskultur in den USA wider. Es macht mir unglaublich viel Spaß, und ich bereue nichts davon. Ich habe viel gelernt und lerne immer noch.
Doch in den USA muss man bis zur Rente immer „on top‘ bleiben. Das ist typisch für die USA. Ihr entscheidet selbst, ob das gut oder schlecht ist. Ich wollte euch einfach mal davon berichten, weil es mir am Herzen lag.

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