Einführung zum Buch NO COPY
Software, Daten und Informationen sind allgegenwärtig. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Anwender täglich über vernetzte Maschinen miteinander kommunizieren. Selbst unsere Telefone brauchen mittlerweile Software, um zu funktionieren.
Computer sind in alle Lebensbereiche vorgedrungen. Sie schränken uns ein, eröffnen uns aber auch ungeahnte Möglichkeiten und motivieren uns, Neues zu schaffen. Doch erst durch eine freie Programmierung kann der Computernutzung eine persönliche Note gegeben werden. Erst die ungehinderte Programmierbarkeit macht einen Computer zu einem einzigartigen Werkzeug.
Dagegen ist das Internet kein rechtsfreier, chaotischer Raum mehr. Einerseits wird der Versuch unternommen, es einer Kontrolle zu unterwerfen und Macht darüber zu erlangen, andererseits ist in den letzten Jahren eine große Cybergemeinschaft entstanden, die nach den Richtlinien eines prinzipiell freien Umgangs mit Computern und Software agiert und sich mit allen Mitteln gegen jegliche Bevormundung zur Wehr setzt. Copyright ist das neue Schlagwort im Kampf zwischen Regulierung und Freiheit.
Doch wie stark ist die regulierende Kontrolle und wie stark ist eine Gemeinschaft, die sich im Internet seit Jahren erfolgreich selbst reguliert? Und was passiert, wenn Daten, Informationen und Wissen restriktiven Gesetzen und Lizenzmodellen unterstehen? Wenn das Teilen von Wissen untersagt wird? Wenn eben das, was unser Denken und Handeln bestimmt, nicht mehr weitergegeben werden darf?
Die Reaktion auf derartige Machtausübung ist ein Protest, dessen Ausmaße die Gesellschaft heute deutlicher zu spüren bekommt als je zuvor. Es sind Subkulturen, Bewegungen und Trends entstanden, die dem entgegenwirken, was Industriezweige und Regierungen durchzusetzen versuchen.
In der Folge ist ein erbitterter Kampf entbrannt zwischen den Urhebern und einer digitalen Untergrundorganisation, die seit mehr als zwanzig Jahren erfolgreich gegen jede Form von Kopier- und Softwareschutz rebelliert. Vom FBI als „Syndikat“ bezeichnet und von der Polizei weltweit verfolgt, führen ihre Mitglieder ein anonymes Eigenleben im digitalen Netz. Ihr Einfluss ist so groß, dass täglich Millionen digitaler Kopien ihren Weg zu den Computernutzern finden. Diese Entwicklung führt zu Aushängen, die an Fahndungsplakate erinnern. In Videotheken und Shops kleben provokative Porträts von vermeintlich gesuchten Straftätern, in Kinos werden Werbespots gezeigt, in denen Kriminelle mit Handschellen abgeführt werden. Dabei geht es nicht, wie auf den ersten Blick vermutet, um Mörder oder Terroristen. Es geht um sogenannte Raubkopierer.
Mit Kampagnen wie „Raubkopierer sind Verbrecher“ versucht die Industrie seit Jahren, den Verbraucher für das Thema zu sensibilisieren. Doch statt Aufklärung zu betreiben, erntet die Kampagne größtenteils Unverständnis. Angesichts immer neuer Medienberichte und Meldungen von angeblichen Milliardenschäden gerät auch das Wort „Raubkopie“ zunehmend in die Kritik. Nicht nur im allgemeinen Sprachgebrauch, sondern auch im juristischen Sinne ist mit „Raub“ eine Form des Diebstahls gemeint, bei dem etwas mit Gewalt entwendet wird. Beim Kopieren von Musik oder Software kann hiervon keine Rede sein. Zudem wird bei einem Diebstahl davon ausgegangen, dass der Beraubte den Gegenstand, der ihm gestohlen wurde, nicht mehr besitzt. Bei einer Kopie dagegen bleibt das Original erhalten. Analog zu den Vergehen des Schwarzfahrens und der Schwarzarbeit, die auch nicht „Raubfahren“ oder „Raubarbeit“ genannt werden, erscheint der Begriff „Schwarzkopie“ weniger wertend als Bezeichnung für illegale Kopien. Als Autoren verzichten wir in diesem Buch daher auch bewusst auf das Wort „Raubkopie“.
Doch Begriffsdefinitionen und Schadensmeldungen reichen nicht annähernd aus, um das Thema Schwarzkopie zu konkretisieren. Es ist eine viel tiefer gehende Betrachtung notwendig, um beide Seiten verstehen zu können. Schließlich sind Schwarzkopien kein neuartiges Phänomen, auch wenn das Thema in unserer Wissensgesellschaft aktueller ist als jemals zuvor.
Die Geschichte der digitalen Kopie begann mit Enthusiasten, die Wissen als freies Gut ansahen. Der Begriff „Kopie“ war in den Anfangszeiten der Computerindustrie ein positiver, fortschrittlicher Gedanke. Es waren Studenten, Wissenschaftler und Erfinder, die mit ihrem Wissensdurst einen Mehrwert für die Menschheit und die Gesellschaft schaffen wollten. Sie ebneten mit ihren Ideen den Weg in eine digitale Zukunft, in der wir heute leben. Bevor die Industrie ihr gegensätzliches Modell definierte, war längst eine Computerkultur entstanden, die sich zum Ziel gesetzt hatte, Informationen für alle verfügbar zu machen.
NO COPY ist nicht nur ein Buch über Schwarzkopien. Im Vordergrund stehen Ideologien und Werte, die sich über mehr als ein halbes Jahrhundert hinweg erhalten haben. NO COPY beginnt bei den ersten Hackern und schaut tief in die Untergrundszene der Cracker, die nach wie vor jede erdenkliche Schwarzkopie weltweit verbreiten. NO COPY deckt einerseits Organisationsstrukturen auf, andererseits wird die Verbindung zur Industrie und ihrem Kampf gegen die Schwarzkopierer erläutert.
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