Seit vielen Jahren sind wir jetzt in die Scene verwickelt. Wir haben ihre Höhen und Tiefen erlebt, folgten blind jeder Einladung auf Parties rund um den Globus und mussten uns häufig dieselbe Frage stellen: Was machen wir hier eigentlich?
Wahrscheinlich hingen wir mehr vor unseren Computern, als uns heute klar ist. Während andere normalen Hobbies nachgingen, verbrachten wir unsere gesamte Freizeit in der Scene. Das Resultat ist nicht etwa elektronisch, sondern ein Buch, das die Scene an die Öffentlichkeit bringt. Noch können wir nicht abschätzen, wie diese Veröffentlichung aufgenommen wird. Sicherlich sind wir auf die Meinung der Leser und Kritiker gespannt. Am meisten erwarten wir jedoch die Reaktion der Scene, an der wir dieses Buch nicht vorbeischmuggeln können.
Es gibt Mitglieder der Scene, denen dieses Buch schon im Vorfeld ein Dorn im Auge war. Wahrscheinlich sehen viele darin eine Verletzung des Szenegeistes und einen weiteren Schritt zu deren Kommerzialisierung. Es ist nicht abzusehen, ob der mittlerweile unaufhaltsam gewordene Prozess der Öffnung ihr schaden oder aber nutzen wird. Vielleicht haben Dinge wie Freundschaft und Solidarität unter dem ständig größer werdenden Einfluss des Geldes mittlerweile einen geringeren Stellenwert als damals. Dennoch ist eine positive Tendenz nicht zu leugnen: Für immer mehr Mitglieder bietet die Scene ein Sprungbrett in die multimediale Berufswelt und dadurch eine realistische Zukunftsperspektive.
Wie die Zukunft der Scene aussehen wird, ist ungewiss. Sie wird sich aber auch weiterhin an den Fortschritt der Computertechnologie anpassen, um immer auf dem neusten Stand zu sein. Es ist wahrscheinlich, dass die Scene ein wenig lauter werden wird, zumindest so laut, dass man von ihr hören wird. Ihr illegaler Teil ist auf dem Höhepunkt einer Entwicklung angelangt, an dem mehr Geld als je zuvor in die Taschen der Mitglieder fließt. Durch die CD-ROM als Datenträger floriert das Geschäft mit schwarzkopierter Software erneut, und die stetig wachsende Zahl der Computerbenutzer kann der illegalen Scene nur neuen Antrieb geben.
Die Aufhebung des Monopols der Deutschen Telekom wird einigen Phreakern neue Wege des kostenfreien Telefonierens eröffnen. Ideen dazu findet man schon auf den entsprechenden Seiten im Internet.
Leader und Szenegrößen illegaler Gruppen, die schon in der zweiten Dekade dabei sind, leben wie die Maden im Speck. Eine Gruppe, die sich über einen solch großen Zeitraum halten konnte, hat einen gewissen Ruf in der Scene und nutzt ihn zum Anwerben junger Mitglieder. Zwar sind nur selten neue Mitglieder erforderlich, doch junge Leute werden in eine illegale Elite-Gruppe gern aufgenommen. Sie bilden die zukünftige Generation.
Einige Scener illegaler Vereinigungen arbeiten immer noch zum Spaß. Diese Leute scheinen aber einer aussterbenden Spezies anzugehören. Neben Geld tritt Macht als Hauptmotivation. Die illegale Scene kontrolliert Unternehmen unterschiedlichster Art, hat ihre Finger in gewinnbringenden Geschäften der Softwareindustrie und expandiert von Tag zu Tag. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die illegale Scene entdeckt, dass auch außerhalb der Computerwelt noch Geld zu holen ist.
William Sen / Denis Moschitto
1997