„No Copy“ berichtet aus der Welt digitaler Raubkopien

Financial Times

Fang mich, wenn du kannst. Aber wer kann schon Datenpakete aufhalten oder ihnen durchs Internet nachstolpern. Deshalb müsste es eher heißen: Fang mich, wenn ich kopiere.

„Wer begeht denn noch Ladendiebstahl, wenn es auch so einfach geht?“, fragte Fritz Behrens, als er noch Innenminister in Nordrhein-Westfalen war. Eine Antwort darauf bekam auch Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht, als sie China besuchte. Ministerpräsident Wen Jiabao versprach „feierlich“ einen besseren Schutz von geistigem Eigentum, räumte aber „weiterhin Probleme“ ein. Womit er höflich umschreibt, dass China sein hohes Wachstum auch dem Raubkopieren verdankt. In der westlichen Hemisphäre beschäftigen sich mittlerweile ganze Anwaltsfirmen mit Klagen und Verfolgen illegaler Kopien und dem Durchsetzen von Urheberansprüchen.

Beim Versuch, diesen Komplex von Illegalität, demokratischer Wissensverbreitung und juristischen Delikten zu verstehen, hilft „NO COPY„. Die Autoren Jan Krömer und William Sen kennen die Hacker- und Crackerszene gründlich und schreiben pfiffig und plastisch, sodass auch Laien ohne IT-Diplom folgen können. Rücksichtsvoll erläutern sie auch Begriffe wie etwa Bugs (Programmfehler) und Splits (Abspaltungen kooperierender Computergruppen). Viele Geschichten präsentieren Krömer und Sen, etwa über Webwarez – Schwarzkopien, die auf Websites zum Herunterladen angeboten wurden. Und es gibt die schöne Legende zu lesen, dass es nie MP3-Player gegeben hätte, wäre es nach dem Dachverband der US-Musikindustrie gegangen. Erfolglos versuchte der per Klage, 1998 die Markteinführung des ersten Modells zu unterbinden.

Es ist spannend zu lesen, welche Blüten Internet-Piraterie treiben kann – und wie Regierungen mit einer immer schärferen Gesetzgebung hinterher hecheln. Kaum ein Gesetz im Bürgerlichen Gesetzbuch ist so oft geändert und überarbeitet worden wie das Urheberrechtsgesetz. Erfolgversprechender für den Staat sind offenbar Razzien, um Netzwerke zu zerschlagen.

NO COPY“ unterschlägt nicht, dass hinter Internetforen zum Datenaustausch (vulgo: Kopieren) wirtschaftliche Riesen heranwachsen. Nicht nur Musikdownloads sind heute ein wichtiger Faktor für die Unterhaltungsindustrie. Schni-Schna-Schnappi hat viele Nachkommen.

von A. Kluy